Evolution zum Klimaschutz

In ca. 4 Milliarden Jahren Evolution hat die Natur beinahe für jeden Lebensraum ihren Organismen die überlebensnotwendigen Enzyme gegeben. Ob in kochend heißen Thermalquellen oder den frostigen Einöden der Antarktis: kein Fleck unseres Planeten ist nicht bedeckt mit einer Fülle von Leben. Einige 'Pioniere' überleben selbst in den unwirtlichen Höhen der Exosphäre, der letzten Schicht der Erdatmosphäre, die an die unendlichen Weiten des Universums grenzt.

Meist handelt es sich dabei um primitive Mikroben, die gerade wegen ihrer Trivialität die perfekte Anpassung für das Leben in den lebensfeindlichsten Regionen unseres Planeten gefunden haben.

Doch in der modernen industrialisierten Welt des Menschen kämpfen Bakterien und andere Mikroben nicht mehr unbedingt nur für den Fortbestand ihrer Art, sondern sollen in großen Fermentern ihre von der Natur verliehenen Fähigkeiten dem Menschen zur Verfügung stellen. Sie spalten komplexe Moleküle wie Stärke oder Fette, machen Obst weich (um daraus mehr Saft pressen zu können) oder vergären Glukose zu Ethanol, der Benzin beigemischt wird.

Die etwa von Bakterien erzeugten Enzyme, die diese Aufgaben erledigen, sind nun mitunter zwar an die Umweltbedingungen ihres ursprünglichen Lebensraumes angepasst, nicht jedoch an die Arbeit im Fermenter. Eine natürliche, selbstständige Anpassung bzw. Evolution ist hierbei kaum möglich, insbesondere weil die verwendeten Bakterien im Fermenter keinem Stress zur Anpassung ausgesetzt sind. Die Lebensbedingungen wurden an sie angepasst.

Eine handelsübliche Amylase, ein Enzym zur Spaltung von Stärke zu Glukose, hat derzeit ihre ideale Arbeitstemperatur bei über 80°C. Um die industriell zu verarbeitenden Mengen an Stärke auf diese Temperatur zu erhitzen, ist ein unglaubliches

Energieaufkommen nötig. Jedes Grad geringere Arbeitstemperatur einer optimierten Amylase würde viel Energie und somit auch CO2 einsparen. In der Automobil-Industrie zum Beispiel arbeiten Forscherteams monatelang, um einem Verbrennungsmotor ein halbes Prozent mehr Wirkungsgrad herauszulocken. Warum versucht man also nicht, mit Ingenieurspraktiken Enzyme zu optimieren?

Wie groß diese Energieersparnis sein könnte, kann man an folgenden Beispielen erahnen:

Das größte Bio-Ethanolwerk Österreichs verarbeitet derzeit jährlich 400.000 t stärkehältige Rohstoffe und ein österreichisches Werk zur Produktion von Zitronensäure fermentiert 250.000 t Maisstärke jährlich mit Amylase.

Die verwendete α-Amylase der Firma Novozymes, welche mit Hilfe transgener Bakterien hergestellt wird, hat ihr Temperaturoptimum bei 82°-86°C. Eine neue, temperatur-optimierte Amylase, die beispielsweise bei 60°C gleich gut arbeiten würde, könnte laut unserer vorsichtigen Berechnungen allein bei den zwei oben genannten Betrieben eine Energieersparnis von mehr als 50 Terajoule (1012) bringen. Das entspricht dem Jahresstromverbrauch von mehr als 3000 österreichischen Durchschnittshaushalten.

Doch wie ist es möglich, ein Enzym ganz nach diesen speziellen Bedürfnissen anzupassen?

In der klassischen Gentechnik ist es bereits Standard, Gene anderer Organismen und die von ihnen codierten Enzyme in ein Bakterium "einzupflanzen", womit bewirkt werden kann, dass das gewünschte Produkt mit den sich schnell teilenden Bakterien sehr einfach und ökonomisch erzeugt werden

kann. Auch ist es auf eine ähnliche Art und Weise, mit sogenannten "starken" Genschaltern (Promotoren), möglich, die Produktionsrate des Enzyms um ein Vielfaches zu steigern.

Doch: direkt an der Struktur der Proteine und der damit verbundenen Funktion zu schrauben, ist mit den Werkzeugen der Gentechnik kompliziert. Praktischere Werkzeuge stellt die Synthetische Biologie, ein neuer Forschungszweig der modernen Molekularbiologie, zur Verfügung. Mit ihrer Hilfe wird es möglich sein, Enzyme und Organismen ganz nach dem für sie vorgesehenen Nutzen zu designen und zu optimieren.

Wir, die SchülerInnen der HLFS Ursprung, haben uns in diesem Projekt das Ziel gesetzt, den Bauplan einer Amylase durch das Einbringen von nicht-kanonischen, synthetischen Aminiosäuren (Ethionin und Norleucin) in die Struktur zu verändern und damit womöglich hinsichtlich seiner 'Arbeitstemperatur' zu verbessern. Zwei WissenschaftlerInnen des Max-Planck-Institutes für Biochemie in Martinsried brachten das dazu nötige technische Know-How direkt in die Schule, lehrten uns die Grundprinzipien.

Doch ganz einfach ist das mit dem "Enzym-Upgrade" nicht. Wenn man ein Protein auf diese Weise verändert, können auch unerwünschte Effekte eintreten. Das Enzym könnte z.B. einfach nicht mehr funktionieren oder schlechter arbeiten. Wenn der Einbau der für die Amylase neuen Bausteine klappen würde, könnten wir aber jedenfalls zeigen, dass mit der Methode an der Funktionalität der Amylase gedreht werden kann.

Wir haben angefangen, in einem Forschungsgebiet zu arbeiten, dem die Gesellschaft eben wegen seiner unbegreiflich vielen Möglichkeiten in Zukunft sowohl wirtschaftlich als auch mit gesetzlichen Grundlagen und Sicherheitsregeln mehr Aufmerksamkeit widmen sollte.