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4a. Pädagogische Hintergründe
Dr. Helga Schloffer zu ihrem Workshop "Demenz verstehen"
„Die Enkelgeneration benötigt altersgerechte Information über das Krankheitsbild Demenz und über einen adäquaten Umgang mit erkrankten Großeltern“ – zu diesem Schluss kommt eine der wenigen Studien, die sich mit Auswirkungen familiärer Pflege auf Kinder und Jugendliche beschäftigt (Metzen 2011).
Demenz ist eine Krankheit, die nicht nur das Individuum selbst betrifft, sondern das gesamte familiäre System. Rollen und Aufgaben verteilen sich neu, die neuen Umstände, die eine Demenzerkrankung mit sich bringt, fordern alle Ressourcen, Kinder und Jugendliche sind davon nicht ausgenommen.
80% der an Demenz erkrankten Menschen werden zu Hause gepflegt, bis zu 50% von Kindern und Schwiegerkindern. Alle Familienmitglieder, auch wenn sie nicht im gleichen Haushalt leben, müssen mit den Veränderungen in Denken und Verhalten sowie in den Alltagsfähigkeiten der Betroffenen umgehen lernen.
Je mehr Wissen über den Prozess der dementiellen Veränderung vermittelt wird und je breiter das Repertoire an Reaktionsmöglichkeiten von Seiten der Angehörigen ist, desto eher kann die Lebensqualität für alle Beteiligten gesichert und können stressbedingte Erkrankungen vermieden werden; pflegende Angehörige tragen ein großes Risiko, selbst zu erkranken, die Mortalitätsrate ist auch bei ihnen erhöht.
Für die Angehörigen geht es um die realistische Einschätzung der eigenen Ressourcen: Sie müssen auch Zeit zur „Selbstpflege“ und für einen Ausgleich zu den täglichen Belastungen zu finden; das gilt für alle Familienmitglieder und nicht nur für diejenigen, die die Hauptpflege tragen.
Wenn Jugendliche nicht gegenwärtig in ihrem persönlichen Umfeld mit Demenz zu tun haben, dann könnte das durchaus in der Zukunft der Fall sein. Es ist dann zum Beispiel wichtig, dass sie erkennen können, ob die Veränderungen bei den eigenen Eltern noch „altersgemäß“ sind. Es wird ihnen im Ernstfall hilfreich sein z.B. zu wissen, wie man auf Aggressionen oder ähnlich belastendes Verhalten adäquat reagiert.
Die Möglichkeit der Vorsorge soll nicht unerwähnt bleiben, sind doch jene Life-Style-Faktoren schon identifiziert, die einen Einfluss auf die Entwicklung einer AD haben.
 
Ziele des Workshops
Veränderungen im Laufe einer dementiellen Erkrankung verstehen
Wissen sammeln über diese Veränderungen in Bezug auf Wahrnehmung, Informationsverarbeitung, Denkvermögen, Verhalten und Alltagsbewältigung
Das Repertoire an Verhaltensweisen und Reaktionen im Umgang mit erkrankten Personen erweitern
Bewusstsein schärfen für den Umgang mit hilflosen Menschen
Respekt und Wertschätzung gegenüber Hochbetagten unabhängig vom geistigen und körperlichen Zustand fördern
Transfer des Wissens in den Alltag, falls in der Familie erkrankte Menschen leben
Befähigung zur Unterstützung der anderen Familienmitglieder
Bewusstsein schaffen für „Lebensqualität trotz Demenz“
Wissen um die Präventionsmöglichkeiten vermitteln
 
Elemente:
1. Input: Vier Schulstunden à 50 Minuten
2. Die Lebenswelt von Menschen im Heim kennen lernen: Adventfeier im Haus der Senioren, Kuchl
3. Nachbesprechung und Reflexion des Erlebten
Ad 1)
Methodengrundlage: selbst aktiv werden – selbst lernen statt belehrt zu werden – bewegt lernen (emotional und körperlich).
Mix aus: Einzelarbeit, Teamwork, Selbstreflexion, Selbsterfahrung, Powerpoint.
Rahmen: Story-Line-Methode.
EINFÜHRUNG
Zu Beginn wurde der Wissenstand bezüglich Demenz festgehalten: Dazu schrieben die SchülerInnen ihre ersten 5 Gedanken zum Thema auf, die Ergebnisse wurden (anonymisiert) ausgetauscht und dann auf einer Tafel zusammengefasst.
„Alter“ und „Gedächtnisverlust“ führten die Liste der Assoziationen an, es folgten „unheilbar“, „Pflege“ und „Alzheimer“.
Ein 15-minütiger Film, in dem Angehörige und ExpertInnen zu Wort kamen, vermittelte Eindrücke von individuellen Krankheitsbildern und den Veränderungen im familiären Umfeld.
In einer Präsentation wurden die neuesten Zahlen (Häufigkeiten, Prognose etc.) und die Veränderungen im Gehirn während einer Alzheimer-Demenz zusammengefasst.
HAUPTTEIL
In Teams wurde eine Familie „erfunden“, die von den SchülerInnen durch die drei Stadien einer Demenz geführt werden sollte.
Für jede Generation stand ein Repräsentant, es gab eine alte Dame, deren Sohn und die Enkelin.
Die Personen wurden auf Plakaten dargestellt, ein Lebenslauf wurde geschrieben; Wissensinhalte konnten so emotional besetzt werden und damit persönlich betroffen machen. Eine Realität wurde simuliert, eine Geschichte diente als roter Faden. Die Teams mussten miteinander kommunizieren, da naturgemäß die drei Biografien miteinander zusammenhingen.
Das soziale Umfeld wurde benannt, neben weiteren Familienmitgliedern gab es auch Personen wie den Postboten, die Verkäuferin etc.. Es wurde zeichnerisch-räumlich dargestellt, wie nahe diese Personen der alten Dame vor dem Auftreten der ersten Symptome stehen.
Die Veränderungen am Beginn der Erkrankung wurden in eine Erzählung verpackt und zusammengefasst auf Wortkarten auf einem Plakat angebracht; ein Zeitstrahl zeigte den Verlauf an.
Um einen Eindruck vom „Getestetwerden“ zu bekommen, durften die Schüler und Schülerinnen den Mini-Mental-Status-Test paarweise ausprobieren.
Schließlich wurden in Teams Ideen gesammelt, wie man im ersten Stadium einer AD am besten kommuniziert, was zu vermeiden ist, etc.. Diese Ideen wurden auf das Plakat geklebt.
Auch die Veränderungen im sozialen Gefüge wurden dargestellt.
Die alte Dame und ihre Familie wurden ins zweite Stadium der Erkrankung begleitet, Vorgangsweise wie beim 1. Stadium.
Das dritte Stadium, das sich durch zunehmende Sprachlosigkeit auszeichnet, wurde mit einer Achtsamkeitsübung begonnen, bei der die Kommunikation mit einer/m PartnerIn nur über Körpersprache gefragt war.
Aus verschiedenen Bildern wurden jene ausgewählt, die Situationen bzw. Interventionen darstellten, die auch noch bei schwerer Demenz Lebensqualität bringen können (Tiere, Musik, Essen ...).
SCHLUSSPHASE
Am Schluss wurden die Erkenntnisse des Workshops zusammengefasst und der Ausflug ins Heim konkret besprochen.
Ad 2)
 
Ziele
Zu vermitteln, dass von Demenz veränderte Personen „Menschen“ bleiben mit allen Bedürfnissen, wie: Zuneigung und Beachtung zu bekommen, (an)gehört zu werden, als gleichwertig angenommen zu werden.
Befreien von Mythen über „Demenz“
Erfahren der Normalität von dementen Menschen
Erfahren der Lebenswelt „Heim“ nicht als Endstation, sondern als Ort der Lebensfreude
 
Um einen Anlass für den Besuch einer SchülerInnengruppe im Heim zu finden, wurde das Treffen von den „Ursprunger Anklöpflern“ eingeleitet.
Dann durften sich die Schülerinnen und Schüler einer/m BewohnerIn ihrer Wahl gegenüber setzen und ein Gespräch beginnen; anwesend waren gesunde Hochbetagte und Erkrankte im ersten und zweiten Stadium einer Demenz sowie vom Schlaganfall Betroffene.
Die BewohnerInnen nahmen das Gesprächsangebot dankbar an und breiteten teilweise ihre Lebensgeschichten vor den geduldigen ZuhörerInnen aus.
Fazit: Wichtig ist aktives, wertfreies Zuhören, Wertschätzung, Respekt und Spaß am Gespräch.
Ad 3)
Die Nachbesprechung diente der Reflexion der Erlebnisse und des Zugewinns an neuen Erkenntnissen durch das Zusammensein mit alten Menschen.
Literatur: Metzen, P. (2011) Die Enkelgeneration in der familialen Pflege bei Demenz, Z. Gerontol Geriat 6, 397-404.