Diskussion zur Biosicherheit mit Experten

"What I cannot create, I do not understand, but: Do I understand, what I can create?"
Richard Feynman

Die Synthetische Biologie bietet ungeahnte Möglichkeiten, ähnlich der Computerrevolution oder der synthetischen Chemie zuvor. So stellt zum Beispiel die Regensburger Firma Geneart DNA-Bausteine her, die in nicht allzuferner Zukunft zur Synthetisierung künstlichen Lebens beitragen könnten. Organismen mit speziellen Fähigkeiten könnten von Menschenhand designed werden. Natürlich ist das nach dem heutigen Stand der Technik noch nicht möglich, laut Experten jedoch eine denkbare Entwicklung in naher Zukunft.
Aber ist dies überhaupt aus ethischer Sicht vertretbar? Dürfen wir ins Handwerk des Schöpfers eingreifen? Maßt die Menschheit sich an, Gott zu spielen? Die Synthetische Biologie wirft ein weiteres Mal Fragen wissenschaftlicher Verantwortung auf.

Besonders überrascht waren wir, dass es in Österreich derzeit keine klare Gesetzesgrundlage gibt bezüglich der Sicherheit im Zusammenhang mit Synthetischer Biologie bzw. im unserem Fall mit synthetischen Proteinen. Wir konnten unser Projekt ohne Probleme oder gesetzliche Einschränkungen durchführen.
Besonders wichtig war es uns in unserem Projekt deshalb auch, auf die Sicherheitsaspekte der SynBio näher einzugehen. Am 14.12.2009 organisierten wir eine Abendveranstaltung, in der Fragen zur SynBio allgemein, aber auch zur Sicherheit und zur ethischen Vertretbarkeit erläutert werden sollten. Wir wollten die Menschen dazu anregen, sich eine eigene Meinung zu bilden - denn mit dem Strom schwimmen kann jeder. Selbst ein Statement zu formulieren und dieses auch begründen zu können ist weitaus schwieriger! Um die Diskussion auf einem fachlich hohen Niveau führen zu können, luden wir zwei Experten aus dem Gebiet der SynBio ein: Dr. Nediljko Budisa vom Max-Planck- Institut in München, den "Shootingstar" der Synthetischen Biologie in Deutschland, und Dr. Markus Schmidt von der Organisation für Internationalen Dialog und Konfliktmanagement (IDC) in Wien. Dr. Schmidt leitet das EU-Projekt "Synbiosafe", welches eine Diskussion über die Sicherheit der Synthetischen Biologie europaweit anstoßen soll. Die beiden gaben uns mit ihren Präsentationen einen Einblick in die Lehre des "Lebens vom Reißbrett". Im Anschluss stellten sie sich unseren kritischen Fragen zur Thematik:

  • Welche Möglichkeiten bietet die Synthetische Biologie?

  • Wie kann man Risikofaktoren - wie zum Beispiel die unbeabsichtigte Freisetzung von synthetischen Lebewesen - in den Griff bekommen?

  • Wie kann man die Öffentlichkeit in die Diskussion einbinden und dazu anregen, sich eine eigene Meinung darüber zu bilden?

Es entbrannte eine nicht enden wollende Fragerunde, die viele zusätzliche Informationen lieferte und viele Unklarkeiten beseitigte.
Wir hörten z.B., dass in den USA das MIT-Boston mit einem Wettbewerb namens iGEM - für "Undergraduates" - die Synthetische Biologie an junge StudentInnen und SchülerInnen heranbringt.

So entstanden zum Beispiel ein Escherichia coli-Bakterium mit Bananengeruch, eine synthetische Botox-Hautcreme oder ein Bakterium, welches die menschlichen Ausscheidungen je nach Ernährung und Krankheit unterschiedlich einfärbt. Das beweist, dass die Synthetische Biologie bereits in den "Undergraduate"-Stufen verstanden und angewendet werden kann, die Lehre also gewissermaßen vom Forschungslabor ins "Laienkochstudio" übertragbar ist.
Schon SchülerInnen können sich intensiv mit der Wissenschaft befassen und Nützliches damit zu bewirken!

Und tatsächlich schicken sich auch Privatpersonen an, bei der Konstruktion von Leben "mitzuspielen". In Garagen und Wohnzimmern werken bereits "Biohacker" mit Zellkulturen und Petrischalen nach dem "Do-it-Yourself"-Prinzip und bauen im Schnellverfahren biologische Systeme. Ziel der HobbyforscherInnen ist die Schaffung eines "biologischen Werkzeugkastens für die Garage". Offensichtliches Gefahrenpotenzial besteht natürlich darin, dass die neuen Organismen durchaus Reißaus in die freie Natur nehmen könnten. Die Konsequenzen für die endemische Flora und Fauna kann noch niemand in vollem Umfang abschätzen, dazu ist das Forschungsgebiet zu komplex und neu.
Der Sicherheitsforscher Schmidt sieht aber in dieser enthusiasmierten Szene jedenfalls eine "Demokratisierung der Biotechnologie". Es sind nicht mehr allein die großen Konzerne, die patent- und profitgetrieben die Forschungsthemen bestimmen, sondern pragmatische Ideen vor dem Hintergrund des Open-Source-Gedankens.

Wie könnten jedoch die Auswirkungen der SynBio aussehen wenn die Mittel dafür in falsche Hände geraten? Wie sieht es mit "Bioterror" u.ä. aus? Eine Ahnung von den Gefahren gibt zum Beispiel folgender Fall: Einem Journalisten des "Guardian" ist es in einem Versuch gelungen, sich einen Abschnitt des Pocken-Erbguts zu bestellen. Er wurde anstandslos beliefert. Außerdem ist es beispielsweise längst gelungen, das Genom von Polio- oder Grippeviren zu synthetisieren. Firmen, die Bio-Bricks kommerziell anbieten, müssen genaue Aufzeichnungen führen und ihre Datenbanken untereinander abgleichen. Sonst könnte es etwa geschehen, dass sich gewiefte Verbrecher bei

unterschiedlichen Anbietern die Bausteine eines bestimmten Krankheitserregers besorgen und diese dann nur noch "zusammensetzen" müssen ...

Natürlich gibt es auch vielversprechende Möglichkeiten, die Sicherheit im Umgang mit synthetisch verändertem Material zu gewährleisten. Um die versehentliche Freisetzung von synthetischen Organismen zu verhindern, könnte man gezielt Schutzmechanismen einbauen, die ein L eben außerhalb des Labors für die Bakterien unmöglich machen. Sogenannte Minimalorganismen etwa, die selber kaum mehr Stoffwechsel betreiben können, sondern alle Nährstoffe im Substrat benötigen, würden in freier Natur nicht überleben können. Deren Umwelt wäre alleinig das Labor oder der Fermenter.

Biologische Firewalls: Die Erbsubstanz natürlichen Lebens, die in der Doppelhelix der DNA festgeschrieben ist, besteht aus einer sich ständig wiederholenden Sequenz aus Desoxyribose, einer Base (A für Adenin, G für Guanin, C für Cytosin und T für Thymin) und Phosphor. "Tauscht man nun die Desoxyribose der DNA aus und ersetzt sie mit beispielsweise einer Hexose, hat man ein neues genetisches System geschaffen, in diesem Fall eine 'HNA'. Kein natürlicher Organismus könnte diese HNA lesen, wäre für diese also unsichtbar - eine biologische Firewall. Ein solcher Organismus läuft mit einem neuen, parallelen Betriebssystem", so der Experte.

Den Hoffnungen, die in die Synthetische Biologie gesetzt werden, stehen nicht unbedeutende ethische und die Sicherheit betreffende Bedenken gegenüber. Was in der öffentlichen Darstellung rund um die Synthetische Biologie jedoch besonders auffällt, ist die von Beginn an relativ offene Diskussionskultur. Fast in vorauseilendem Gehorsam wird auch seitens der Industrie und Wissenschaft die Technikfolgenabschätzung und Diskussion forciert. Damit sollen PR-Desaster vermieden werden, wie sie etwa bei genveränderten Pflanzen und zum Teil bei der Nanotechnologie geschehen sind. "Früher hat es da phasenweise eine große Arroganz der WissenschafterInnen gegeben. Heute sind Forschung und Industrie vorsichtiger, schließlich steht die Zukunft der Bio-Ökonomie auf dem Spiel", meint Schmidt.

Wir haben den Abend gefilmt.
Unter folgendem Link können Sie den Vortrag von Dr. Schmidt und die anschließende Diskussion mit Dr. Schmidt und Dr. Budisa verfolgen.

Textzitate auch aus
"Leben 2.0, Biologie aus dem Baukasten", www.zukunftswissen.apa.at, Mario Wasserfaller, 12.02.2010