Was ist Synthetische Biologie?

Die Synthetische Biologie stellt einen sehr jungen Forschungszweig dar, dessen Möglichkeiten sehr vielfältig sind. Eine mögliche Definition für den Aufgabenbereich der Synthetischen Biologie lautet: Die Entwicklung biologischer Systeme und Organismen mit Hilfe standardisierter Bausteine und ingenieurswissenschaftlicher Prinzipien. Obwohl sich die Synthetische Biologie grundsätzlich mit ähnlichen Materialien und Methoden wie die Gentechnik befasst, bestehen doch große Unterschiede zwischen diesen Gebieten. Die konventionelle Gentechnik orientiert sich an bereits bestehende Formen des Lebens - sie tauscht beispielsweise einzelne Gensequenzen zwischen unterschiedlichen Organismen aus, transferiert sie usw.. Die Synthetische Biologie hingegen nimmt es in Angriff, Lebensformen, biologische Baustoffe, Biomoleküle, Enzyme (Katalysatoren) zu entwerfen und herzustellen, wie sie in der Natur nicht vorkommen.

SynBio kann ein hilfreiches Werkzeug sein bei

  • der Diagnose oder Behandlung von schwerwiegenden Erkrankungen, wie zum Beispiel Krebs.

  • der Herstellung von neuen, maßgeschneiderten Biomaterialien mit Eigenschaften, die anders nicht zu erreichen wären.

  • der Erzeugung von neuen Enzymen, die z.B. sogar in der Lage sein könnten, aus Stroh oder anderen agrarischen Abfallstoffen wertvollen Treibstoff zu erzeugen.

  • der kostengünstigen Produktion von Medikamenten, wie sie vor allem für Entwicklungsländer von Bedeutung ist - ein synthetisch erzeugtes Medikament gegen Malaria kommt demnächst auf den Markt!

  • der Herstellung von Medikamenten, die auf den individuellen Patienten zugeschnitten sind.

Fest steht, dass früher oder später die Synthetische Biologie die klassische Gentechnik wenn nicht ablösen, so doch zumindest ergänzen wird. Und man erhofft sich viel von der SynBio, auch wenn noch ungewiss ist, welche der in sie gesetzten Erwartungen sie tatsächlich erfüllen können wird. Auf jeden Fall ist es unseres Erachtens höchste Zeit, dass sich auch Politik und Gesellschaft mit jenen Fragen befassen, die die Synthetische Biologie aufwirft. Z.B.:

  • Dürfen wir mit ingenieur- wissenschaftlichen Methoden in das Leben eingreifen?

  • Wie weit betrachten wir artifizielle (künstliche) biologische Systeme noch als 'lebende Materie'?

  • Darf man Leben 'synthetisieren'?

  • Wie kann man die Vermeidung von Unfällen, z.B. das versehentliche Freisetzen der SynBio-Organismen garantieren? Wie kann man einem Bioterrorismus entgegenwirken?

  • Wie kann man das Risiko einschätzen? Wer soll das Risiko einschätzen?

Ziele der Synthetischen Biologie:

  • Herstellung von "minimalen Organismen":
    Noch tummeln sich keine von Grund auf künstlich geschaffenen Organismen in den Petrischalen. Ein Weg dahin ist aber das sogenanntee "Minimal Genom". Dieses stellt man aus Bakterien her, die bereits ein sehr kleines Genom aufweisen. Im Zuge langer Versuchsreihen schaltet man diesen Lebewesen nun nach und nach "unnötige" (d.h. nicht lebensnotwendige) Gene ab. Außerdem wird DNA entfernt, die keine für das Leben notwendige Information enthält. Das Endergebnis ist ein Organismus, der nur mehr jene Erbinformation enthält, die ihm ein Überleben in einer definierten Nährlösung unter Laborbedingungen ermöglicht. Was also übrig bleibt, kann als Grundgerüst oder Chassis wie bei einem Auto für beliebige Aufbauten dienen, so der Grundgedanke. Diese Methode nennt sich "Top-Down"-Ansatz. Damit kommt man dem Verständnis dessen, was Leben eigentlich ausmacht, näher. Andererseits gewinnt man eine Plattform, in die man biologische Schaltkreise einsetzen kann.

  • Kreation künstlicher Zellen
    Im Unterschied zur schrittweisen Reduktion von Genen wird beim "Bottom-Up"-Ansatz versucht, eine von Grund auf künstliche Zelle ("Protozelle") mit den wichtigsten Merkmalen des Lebens - wie der Interaktion mit der Umwelt und einem funktionierenden Stoffwechsel - zu schaffen. Eine Zellmembran ist relativ leicht mit Fettbläschen nachzubauen. Es ist bereits gelungen, in solche zellartigen Bläschen Biomoleküle einzuschleusen, um eine Interaktion zu erwirken. In einem anderen Fall konnte man einen Stoffwechsel in Gang bringen.

  • Design standardisierter biologischer Bausteine:
    Ein weiterer wichtiger Ansatzpunkt der Synthetischen Biologie besteht darin, Datenbanken aufzubauen, in der sämtliche Gen-Bausteine exakt beschrieben werden, um sie irgendwann einfacher und schneller miteinander kombinieren zu können. Es wird hier der Versuch unternommen, die Tausenden Kontrollelemente zu charakterisieren, die für das Engineering von Mikroben entscheidend sind, damit schließlich Forscher diese DNA-Teile in synthetischen Organismen mischen und abgleichen können, um neue Wirkstoffe, Treibstoffe oder Chemikalien zu produzieren. Weltweit gibt es bereits mehrere Unternehmen, die DNA in größerem Maßstab vollautomatisch synthetisieren und Forschern zur Verfügung stellen - beispielsweise die in Regensburg (Deutschland) beheimatete Geneart AG.

  • Herstellung neuer Eiweiße:
    Ein anderer Zweig der SynBio verfolgt die Herstellung noch nie dagewesener Eiweiße als Rohstoff und Bio-Katalysatoren (Enzyme) durch am Computer erstellte Proteinmodelle oder den Einbau von nicht-proteinogenen, also vom Leben nicht verwendeten Aminosäuren (Das war unser Ansatz bei der Arbeit im Labor).

  • Neue Speichermoleküle
    Schließlich gibt es auch den Ansatz, eine künstliche DNA herzustellen, die anstatt der Desoxyribose ein anderes Zuckermolekül verwendet, z.B. eine Hexose. Das Ergebnis wäre eine HNA. Auf diese Weise könnte man Lebewesen erschaffen, die nur im Labor - gewissermaßen einer Parallelwelt - existieren können. Da keine DNA mehr als Erbgutspeicher verwendet würde, könnten sich diese Organismen nicht mehr in die freie Natur 'einmischen'. So könnte man wahrscheinlich die Gefahr der versehentlichen Freisetzung von gefährlichen Laborbakterien in den Griff bekommen. Vor allem dieser Aspekt zeigt, wie groß das Möglichkeitsspektrum der Synthetischen Biologie ist.

Quellen:
"Leben 2.0, Biologie aus dem Baukasten", www.zukunftswissen.apa.at, Mario Wasserfaller, 12.02.2010
"Schöpfung im Labor", Der Spiegel 4.1.2010
"Leben vom Reißbrett", Spektrum der Wissenschaft, Nov.2008
"Den Kode des Lebens erweitern", Spektrum der Wissenschaft, Jän.2009